Willmore-Energie

Die Willmore-Energie ist in der Differentialgeometrie eine Größe, die die Biegungsenergie von im Raum eingebetteten Flächen misst. Sie ist nach Thomas Willmore benannt.

Definition

Für eine glatte, eingebettete, kompakte, orientierte Fläche Σ R 3 {\displaystyle \Sigma \subset \mathbb {R} ^{3}} mit mittlerer Krümmung H : Σ R {\displaystyle H:\Sigma \rightarrow \mathbb {R} } definiert man die Willmore-Energie

W ( Σ ) = Σ H 2 d A {\displaystyle W(\Sigma )=\int _{\Sigma }H^{2}dA} .

Motivation

Minimalflächen im R 3 {\displaystyle \mathbb {R} ^{3}} sind per Definition Flächen, deren mittlere Krümmung verschwindet: H 0 {\displaystyle H\equiv 0} .

Aus dem Maximumprinzip folgt, dass es im R 3 {\displaystyle \mathbb {R} ^{3}} keine kompakten Minimalflächen ohne Rand gibt. Stattdessen sucht man nach geschlossenen Flächen, welche die Willmore-Energie minimieren.

Variante

Gelegentlich wird die Willmore-Energie auch durch

Σ ( H 2 K ) d A {\displaystyle \int _{\Sigma }(H^{2}-K)dA}

mit der Gauß-Krümmung K : Σ R {\displaystyle K:\Sigma \rightarrow \mathbb {R} } definiert.

Weil nach dem Satz von Gauß-Bonnet

Σ K d A = 2 π χ ( Σ ) = 4 π ( 1 g ) {\displaystyle \int _{\Sigma }KdA=2\pi \chi (\Sigma )=4\pi (1-g)}

gilt, unterscheiden sich die beiden Definitionen nur durch eine (von der Topologie der Fläche Σ {\displaystyle \Sigma } abhängende) Konstante.

Sphären

Eine runde Sphäre von beliebigem Radius r {\displaystyle r} hat Willmore-Energie W ( S 2 ( r ) ) = 4 π {\displaystyle W(S^{2}(r))=4\pi } . Eine elementare Anwendung der Ungleichung zwischen arithmetischem und geometrischem Mittel (zusammen mit dem Satz von Gauss-Bonnet) zeigt, dass für jede andere Sphäre die Willmore-Energie größer als 4 π {\displaystyle 4\pi } ist.[1]

Tori

Clifford-Tori haben Willmore-Energie W ( T ) = 2 π 2 {\displaystyle W(T)=2\pi ^{2}} .

Thomas Willmore vermutete 1965[2], dass für jede Fläche vom Geschlecht 1 {\displaystyle \geq 1} die Ungleichung

W ( Σ ) 2 π 2 {\displaystyle W(\Sigma )\geq 2\pi ^{2}}

gilt. Ein Beweis dieser Vermutung wurde im Februar 2012 von Fernando Codá Marques und André Neves angekündigt.[3] Martin Schmidt hat schon 2002 in[4] einen Beweis der Willmore-Vermutung dargestellt, dessen Vollständigkeit allerdings in der Fachwelt umstritten ist.

Immersionen

Die Willmore-Energie kann auch für Immersionen f : Σ R 3 {\displaystyle f:\Sigma \rightarrow \mathbb {R} ^{3}} definiert werden. Li und Yau haben bewiesen, dass für jede nicht-eingebettete immersierte Fläche die Willmore-Energie mindestens 8 π {\displaystyle 8\pi } ist. Insbesondere wird das Minimum der Willmore-Energie unter immersierten Sphären und Tori tatsächlich durch eingebettete Flächen realisiert.

Für immersierte projektive Ebenen ist die Willmore-Energie mindestens 16 π {\displaystyle 16\pi } , das Minimum wird durch die Bryant-Kusner-Parametrisierung der Boyschen Fläche realisiert.

  • Yann Bernard: Autour des surfaces de Willmore

Einzelnachweise

  1. Die Willmore-Vermutung nach Marques und Neves
  2. T.J.Willmore: Note on embedded surfaces An. Sti. Univ. Al. I. Cuza Iasi, N. Ser., Sect. Ia 11B, 493–496 (1965)
  3. Fernando Codá Marques, André Neves: Min-Max theory and the Willmore conjecture, arxiv:1202.6036
  4. Martin U. Schmidt: A proof of the Willmore conjecture. In: arXiv. 2002, arxiv:math/0203224.